3 Fragen an

Prof. Dr.-Ing. Vanessa Borkmann

16. Oktober 2024

Prof. Dr.-Ing. Vanessa Borkmann

1. Was hält unsere Innenstädte lebendig?

Aus Sicht des Fraunhofer IAO, insbesondere den Forschungen im Bereich Stadtsystemgestaltung und basierend auf der Studie „ElastiCity – Innenstadt 2030+“, spielen die Vielfalt und Flexibilität von Funktionen eine zentrale Rolle, um Innenstädte lebendig zu halten. Dabei sollten Innenstädte nicht mehr ausschließlich als Orte des Konsums betrachtet werden, sondern als multifunktionale Räume, die soziale, kulturelle und wirtschaftliche Aktivitäten kombinieren. Innenstädte müssen sich kontinuierlich an den gesellschaftlichen Wandel anpassen, wobei Aufenthaltsqualität, attraktive öffentliche Räume und flexible Nutzungsangebote entscheidend sind. Die Innenstädte der Zukunft sollten Räume sein, in denen Begegnungen, soziale Interaktionen und vielfältige Erlebnisse gefördert werden, sei es durch Kultur- und Bildungsangebote, Gastronomie oder Freizeitmöglichkeiten.

2. Welche Herausforderungen sehen Sie durch den Onlinehandel und wie können Innenstädte darauf reagieren, um attraktiv zu bleiben?

Der Onlinehandel stellt eine große Herausforderung für Innenstädte dar, da er den stationären Einzelhandel unter Druck setzt. In der ElastiCity-Studie wird betont, dass die traditionelle Funktion der Innenstädte als Handelszentren nicht mehr ausreicht, um ihre Vitalität zu sichern. Um attraktiv zu bleiben, müssen Innenstädte sich von reinen Konsumorten zu Erlebnisräumen entwickeln. Dies kann durch die Schaffung flexibler, temporärer Nutzungskonzepte, wie beispielsweise Pop-up-Stores oder neue Logistiklösungen für den stationären Einzelhandel, erreicht werden. Gleichzeitig müssen Innenstädte den Fokus stärker auf die Aufenthaltsqualität legen, mit einladenden öffentlichen Räumen, kulturellen Angeboten und gastronomischen Erlebnissen, die einen Mehrwert bieten, der über den bloßen Einkauf hinausgeht.

3. Welche Rolle spielt die Umgestaltung von öffentlichen Räumen und Gebäuden für die soziale und wirtschaftliche Dynamik der Stadtzentren?

Die Umgestaltung von öffentlichen Räumen und Gebäuden spielt eine entscheidende Rolle für die soziale und wirtschaftliche Dynamik der Innenstädte. Öffentliche Räume müssen als Orte des Austauschs und der Begegnung verstanden werden, die sowohl soziale als auch wirtschaftliche Funktionen erfüllen. Die ElastiCity-Studie betont, dass flexible, anpassbare und multifunktionale Räume notwendig sind, um den Bedürfnissen der städtischen Bevölkerung gerecht zu werden. Dies umfasst die Neugestaltung von Grünflächen, Verweilzonen und Mobilitätskonzepten, die den Zugang zur Innenstadt verbessern und sie als attraktiven Aufenthaltsort stärken. Die Umnutzung leerstehender Gebäude für neue kulturelle oder kreative Nutzungen kann ebenfalls zur wirtschaftlichen Belebung beitragen und gleichzeitig die soziale Interaktion fördern. Sicherheit, Sauberkeit und Komfort – beispielsweise Sitzgelegenheiten sind wichtige Rahmenbedingungen.

Bildquelle: Prof. Dr. Vanessa Borkmann / Bernd Müller, Fraunhofer IAO
Link zur Studie „ElastiCity – Innenstadt 2030+

© DZG

Fazit

„Innenstädte bleiben lebendig, wenn sie sich zu flexiblen, multifunktionalen Erlebnisräumen entwickeln, die soziale, kulturelle und wirtschaftliche Aktivitäten vereinen.“

Prof. Dr. Vanessa Borkmann

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